Constantin und Mokuba 09

 

All das registrierte Moki gar nicht, sein Geist und Körper waren wie benebelt von der Wirkung des Blutes und sein Körper gab dem Kuss daher anfangs noch recht willig nach. Als sich sein Geist klärte wich er erschrocken zurück und keuchte schwer. Was war eben nur passiert? Es war als wäre er weggeträumt. 

Constantin spürte die plötzliche Veränderung und als der Mensch zurückwich, gab er ihm nach. Sein eigener Atem ging schnell und die Lippen brannten angeschwollen von der Intensität des Kusses. Es dauerte ein paar Momente, bis er sich soweit gefangen hatte, das er das Erschrecken in Mokis Augen bemerkte. Sofort trat er ein paar Schritte zurück um ihm mehr Luft zu lassen und konnte doch nicht verhindern, das seine Zunge hervorschnellte um der verlorenen Berührung auf den Lippen nachzufühlen. Der Geschmack lag noch immer auf seiner Spitze und der Duft des Menschen umschmeichelte seinen Geruchssinn auf betörende Weise. Aber es war nicht richtig gewesen... „Mokuba... ich...“, begann Constantin und verlor mitten im Satz seine Stimme. Was sollte er dem Mann auch sagen? Das es ihm leid tat, ihn so überfallen zu haben...? Lügen würde er nicht, bestimmte er für sich selbst und somit fiel diese Möglichkeit weg. „Wir sollten uns ein wenig ins Wohnzimmer setzen...“, schlug der Vampir schließlich mit sanfter, leiser Stimme vor und versuchte unbewusst, seinen Nemesis zu beruhigen.  

Das wirkte allerdings nur schwerlich. Mokuba stand schwer atmend da und keuchte hin und wieder leise während seine Augen auf dem Vampir geheftet waren. Auch seine Lippen waren von dem Kuss geschwollen und er bot in seiner Verwirrtheit ein betörendes Bild. „Was... was war das eben?“ Noch immer leicht verwirrt blieb Mokuba stehen wo er war und sah den Vampir weiterhin an. 

Die Verwirrung des Menschen war greifbar, die rosigen Lippen noch dunkler und geschwollen... Mokuba war wunderschön. Sanft fuhr Constantin mit seinen Fingerspitzen über die erhitzten Wangen seines Lichts. Die violetten Augen wanden sich nicht von seinem eigenen Blick ab und er kam nicht umhin, das Schimmern zu bemerken. „Es war ein Berührung... ein Kuss... hat er dich erschreckt?“, fragte er liebevoll nach und zog den zierlichen Körper vorsichtig an sich. Die Arme um ihn gelegt, ließ er sein Kinn auf den hellen Schopf nieder und genoss für einen Augenblick die Wärme und Liebe. Niemals hätte er gedacht, das er als verderbtes Wesen dem Himmel noch einmal so nahe kommen könnte. 

Moki wandte sich aber wieder frei. „Ich meine nicht den Kuss...Ich meine beim Trinken, was ist da mit mir passiert?“ Wieder schimmerten die Augen, jedoch lag nicht mehr nur Verwirrung darin sondern leichter Zorn der ein Feuer in dem Violet erwachen ließ. Das Glas hatte der junge Mann noch immer in der Hand und er hielt es fest umklammert. In Trance sein, nicht wirklich bei Sinnen zu sein, so hatte es sich angefühlt als er trank, ob es daran lag das sein Körper davon heilte? Die Frage konnte nur Constantin beantworten und Mokuba wollte eine Antwort, er brauchte sie um Sicherheit zu finden. 

Resigniert fuhr Constantin sich durch die Haare und löste damit nur noch mehr Strähnen aus dem Zopf. Die Augen niedergeschlagen versuchte er Ruhe zu bewahren und nicht auf die Wut Mokis einzugehen. Schließlich fixierte er den Blick des Menschen und antwortete viel ruhiger als er sich fühlte. „Das Trinken... mein Blut heilt dich, wie weiß ich nicht. Ich kann dir nur sagen, das es dies tut. Du nimmst es in dir auf und es vereint sich sofort mit dir... es verändert dich... verdrängt die Krankheit, heilt.“ Der Vampir begann durch den Raum zu tigern, die Arme fast schon trotzig vor der Brust verschränkt. Erst als er wieder bei Mokuba ankam, hielt er inne. „Was genau macht dir Sorgen? Das du es genossen hast? Das mein Blut, wie es in deiner Kehle hinab lief, wie es dich innerlich zum Kochen brachte... es hat dich erregt. Und leugne nicht, das wenigstens ein gewisses Maß an Sinnlichkeit darin enthalten war.“ Wie erschöpft ließ sich Constantin in einen der Sessel fallen, überschlug wie immer die Beine und rieb über seine pochenden Schläfen. „Was ist nur los mit dir?“, flüsterte er, sah den Menschen dabei jedoch nicht an.

„Was mit mir ist?“ Moki hob überrascht eine Braue. Kam Constantin da denn nicht selber drauf? „Hör mal, mein ganzes Leben hat sich seit Gestern verändert...Und du fragst was mit mir ist?“ Überraschend ruhig antwortete und fragte der Silberhaarige, er kam zu dem Vampir und blieb vor ihm stehen. „Allein schon zu erfahren das es Vampire wirklich gibt, einen vor mir stehen zu sehen ist was das andere Menschen total Irre gemacht hätte.“ Seine Stimme hob sich ein wenig, er wurde aber nicht laut. „Und das dein Blut mich heilt, eine Medizin für einen Unheilbaren, wie unglaublich ist das erst? Ich muss mich an alles gewöhnen.“ Und das war wirklich kein sehr leichtes Unterfangen. Constantin war ziemlich launisch, mal aufdringlich, mal abweisend, hin und her.

Die Vorwürfe ließen den Vampir aus dem Sessel herausschnellen. Die Augen glimmten in einem gefährlichen Feuer. „Ich verstehe schon.“, fuhr er Mokuba an und baute sich bedrohlich vor ihm auf. „Aber was ist mit meinem Leben? Bevor ich dich traf, berührte mich weder Gegenwart noch Zukunft. Ich war ein Schatten... keine Bedürfnisse außer dem Blut... keine Wut, nur Kälte in mir. Bevor du kamst... mit diesem verdammten Licht, mit dieser Wärme... war ich zufrieden mit meinem Leben. Gefühle waren Erinnerung, kaum mehr ein Hauch in meinen Gedanken. Nun brennt das Fieber in mir, verschlingen mich Erinnerungen... Gefühle brechen mich entzwei. Dafür ist ein Vampir nicht geschaffen... das kann ich nicht ertragen. Was tust DU MIR AN?!“, schrie er, nur um herumzufahren und die Wohnung mit wehendem Zopf hinter sich zu lassen. Sein Schädel pochte, das Herz schien zu brechen... obwohl es nicht einmal mehr schlug. Er wollte das nicht mehr. 

Und Moki rannte zum Fenster und riss es auf. „Bleib gefälligst hier du Feigling! Weglaufen kannst du immer wie es aussieht, stell dich doch mal deiner Angst!“ Dann knallte er das Fenster wieder zu und atmete schwer ein und aus. Dieser feige Hund lief immer nur weg wenn es Probleme gab. Moki hatte auch nicht vor seinen Problemen weglaufen können, er hatte sich seiner Krankheit immer gestellt und ihr wann immer es ging ins Gesicht gelacht. Jetzt fühlte er sich wieder als könne er Bäume ausreißen, zu einem wegen dem Blut, zum anderen weil ihm das Verhalten dieses gestandenen Mannes auf den Nerv ging. Als Mensch musste er wirklich eine Mimose gewesen sein.

Natürlich hatte der Vampir die Worte Mokis noch gehört... doch er konnte nicht stehen bleiben. Nicht wenn er noch immer so voller Zorn war, nicht wenn Gefahr bestand, das er dem Menschen ernsthaft verletzen könnte. Aber auch ein Vampir konnte nicht ewig laufen und als er in eine der zahlreichen Sackgassen lief, kam er endlich zum Stillstand. Sein Atem floh, die Brust hob sich schnell und hastig. Erst jetzt bemerkte er die Tränen, die unaufhörlich über seine fahlen Wangen liefen. Entsetzt berührte er das Nass und ging an der Wand zu Boden. Die Beine weit von sich gestreckt saß er eine Ewigkeit einfach nur da und verrieb die Tränen zwischen seinen Fingern. Was passierte nur mit ihm? Er konnte sich noch genau erinnern, wann er das letzte Mal geweint hatte... es war vor über 160 Jahren gewesen, als man seinen Sohn zu Grabe getragen hatte. Constantin war damals schon lange ein Vampir gewesen, dennoch hatte er sich von seiner sterblichen Familie nie sehr weit entfernt.

Immer hatte er seine schützende Hand über sie gehalten, hatte für Geld und Nahrung gesorgt. Sein Sohn war friedlich eingeschlafen, Constantin hatte bis zum Schluss seine runzelige Hand gehalten. Das eigene Kind sterben zu sehen hatte ihn fast zerrissen, doch in dessen Augen lag soviel Liebe und Zufriedenheit, das er nicht einen Moment daran gedacht hatte ihn zu wandeln. Alt war sein kleiner Junge geworden, über achtzig Jahre mit vielen Kindern, Enkeln und Urenkeln. Die Tränen des Vampirs versiegten und er legte den Kopf in den Nacken um die kaum sichtbaren Sterne am Himmel zu betrachten. Manchmal sehnte er sich nach... er wusste es nicht genau. Mit einem bitteren Schmunzeln stellte er fest, das er sich wirklich wieder einmal zum Narren gemacht hatte.

Lag es an den vielen Jahren die zwischen Moki und ihm lagen? Das er eine zurückhaltende Höflichkeit, Respekt erwartete... er, der doch der Ältere, der Erfahrenere von ihnen beiden war? Doch jede noch so kleine Kritik des Menschen brachte ihn dazu sich zu vergessen. Er musste das dringend in den Griff bekommen... ab heute definitiv keine Drogenabhängige und Verrückte mehr... damit müsste ihm bereits geholfen sein. Etwas schwerfällig kam er auf die Beine und klopfte den Dreck von seiner hellen Hose. Nachdem die Tränen versiegt waren, er sich daran erinnerte, das er niemals alleine sein würde... das immer ein Menschenkind von seinem Blute unter der wabernden Masse an Sterblichen wandeln würde... beruhigte sich sein Innerstes wieder. Seine Schritte waren gesetzt, langsam aber stetig machte er sich auf den Weg zurück zu Mokuba. Der Vampir würde sich entschuldigen... und als er an einem der zahlreichen Supermärkte vorbeikam, die auch Nachts geöffnet hatten, hatte er einen Einfall. Wenig später stand er wieder vor der Türe Mokis, in seinen Händen eine einfache braune Papiertüte, gefüllt mit allerlei süßen Delikatessen und einer sehr exklusiven Auswahl an Obst. Ein kleines Vermögen hatte er in der Luxusabteilung des Supermarktes gelassen, aber er hoffte dem Menschen damit eine Freude zu machen. Mit den vollen Händen konnte er jedoch nicht klopfen und so trat er vorsichtig immer wieder mit seiner Schuhspitze gegen die Tür.  

Durch das Klopfen zuckte Moki im Schlaf zusammen, er hatte weiter den kleinen erotischen Roman korrigiert und war dabei eingeschlafen. Damit hatte er sich erfolgreich und wie geplant von Constantin abgelenkt. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm das es ziemlich spät war und eigentlich nur Einer vor seiner Tür stehen konnte. Träge vom Schlaf trottete er zur Tür und blickte durch den Spion. Constantin hatte eine braune Tüte auf dem Arm und keine Hand frei wie es aussah. Das er zurückgekommen war überraschte Moki nicht wirklich, nur das er diese Nacht noch kam, das war überraschend. Die Frage nach der Parole ließ er weg und die Schlösser der Tür schnappten auf. Moki hätte ihn auch vor der Tür versauern lassen können, aber dann hätte er womöglich doch die neue Tür eingetreten. Dieser Vampir war wirklich impulsiv.
 

Sobald die Türe einen Spalt offen war, drängte sich Constantin in die deutlich wärmere Wohnung. Den jungen Mann erst einmal nicht beachtend stellte er die Tüten auf den Wohnzimmertisch und drehte sich dann zu Moki um. „Du hast schon geschlafen?“, fragte er freundlich interessiert und nichts erinnerte mehr an sein Geschrei von vorher. Constantin wand seinen Blick von der Nemesis und schob die Tüten etwas unsicher auf dem Tisch hin und her. „Du solltest dich wieder hinlegen, oder einen Morgenmantel anziehen... nicht das du dich erkältest.“, setzte er hinzu und wartete einfach ab. Er brannte wie ein kleines Kind darauf, seine Schätze auszupacken und dem Beschenkten stolz zu zeigen. Doch zuerst musste er sehen, ob er noch immer willkommen war.  

„Ich verkühle mich schon nicht.“, kam es sogleich zurück während Moki die Tür schloss. Er brannte seinerseits vor Neugierde was in den Tüten drin war und wieselte ziemlich flink zum Tisch und steckte seine Nase in die Tüte mit dem Süßkram. „Oh, süßes..... Lecker.“ Er gab es nicht zu, aber er hatte richtig Kohldampf. Die letzten Wochen hatte er nur wenig gegessen, er hatte einfach kaum was herunter bekommen und daher auch ziemlich abgebaut, aber jetzt fühlte er sich besser und kramte wie ein kleines Äffchen in der Tüte herum. 

Die Neugierde des Menschen und dessen wildes Wühlen in den Mitbringseln machte Constantin glücklich. Lächelnd stand er daneben, als Moki fast darin verschwand und mit leuchtenden Augen immer wieder auftauchte. „Ich mache dir einen Vorschlag... du legst dich wieder ins Bett und ich bringe dir die Tüten... und einen Teller. Und dann darfst du dich über die Sachen hermachen... wie klingt das?“, sanft begann der Vampir den Mann von den Tüten zu ziehen und in Richtung Schlafzimmer zu bugsieren. Wie ein kleines Kind kam er ihm vor und er konnte nicht widerstehen und wühlte zärtlich durch den hellen Schopf. Die weichen Strähnen glitten durch seine Finger und hinterließen ein sachtes Kribbeln in der Magengegend.  

„Aber ich war noch nicht im Bett, ich war am PC.“, erklärte Moki und fand sich dann auch schon fast im Bett wieder weil Constantin so schob. „Drängel’ nicht so, ich gehe ja schon.“, grummelte er und versuchte sich ein wenig zu sträuben, war er ein kleines Kind oder was? 

„Nicht böse sein...“, wisperte der Vampir sacht an der Halsbeuge des Menschen und drängte ihn ins Bett. „Ich bin gleich wieder da.“, versprach er und beeilte sich die Tüten aus dem Wohnzimmer zu holen, bevor Moki sich wieder aus dem Bett herauswagte. Im Schlafzimmer setzte er sich an das Bettende und legte die Tüten zwischen sich und Mokuba. Seine Augen strahlten, als er endlich damit begann die Leckereien auszupacken. Neben allerlei Süßkram zauberte er auch duftende Früchte aus fernen Ländern die verlockend schimmerten. „Alles nur für dich!“, strahlte Constantin und sah den Menschen voller Liebe an. „Und noch etwas... es tut mir leid, ich wollte dich nicht anschreien.“, entschuldigte er sich leise und knubbelte an der Bettdecke herum. Seine Augen hatten das Leuchten verloren, er schämte sich. 

„Du bist halt ziemlich impulsiv, ich bin es ja auch hin und wieder.“ Moki verstand und es tat ihm fast ein wenig Leid das Constantin sich so schämte. Die violetten Augen schweiften jetzt aber über die ganzen Leckerein um den Vampir abzulenken und aufzuheitern. „Das Bunte da sieht lecker aus...Wo hast du das nur her, das sieht aus wie Süßzeug aus Japan?“ Er kannte solch Süßkram aus seiner Kindheit, seine Großeltern hatten immer Unmengen davon geschickt.

 

-Weiter-

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