Constantin und Mokuba 08

 

Schuldbewusst sah der Vampir auf die kaputte Tür und natürlich erinnerte er sich noch an das zertrümmerte Fenster. Mit gemischten Gefühlen beobachtete er Moki als dieser ein, für sein Empfinden, hauchdünnes Kettchen als Sicherung verschloss. „Natürlich komme ich für den Schaden auf.“ Constantin stand auf und trat zu Moki, seine Finger spielten nachlässig mit dessen Haarsträhnen. „Und ich schicke dir morgen jemanden vorbei wegen der Tür... dann soll er auch gleich ein stabileres Schloss einbauen. Das hier hielt ja überhaupt nichts aus. Und vielleicht auch gleich eine von diesen neuen... wie heißen sie doch gleich... Alarmanlagen?“, fügte er nachdenklich an und koste sein Gesicht durch die helle Haarpracht des Menschen.  

Moki war versuchte den Vampir wieder von sich zu schieben, es war ungewohnt das ihm jemand so nahe war und dann auch noch so vertraut obwohl sie sich kaum kannten. Allerdings brachte dem jungen Mann die Sorge fast zum Lachen, es war wirklich übertrieben. „Bisher warst du der Einzige der bei mir eingebrochen ist. Ich brauche keine Alarmanlage, das ist wirklich nicht nötig.“ Das war wirklich übertrieben. „Du passt ja jetzt Nachts auf und ich habe Tags nun wirklich nichts zu befürchten...Ich will mich nicht wie in einem Gefängnis fühlen.“ 

Als Constantin das leichte Unwohlsein seines Menschen spürte, trat er einen Schritt zurück, um ihm Luft zum atmen zu geben. Früher oder Später würde Moki sich an ihn gewöhnen, an seine Präsenz ebenso wie an seine Berührungen... zumindest hoffte er es. „Ein Gefängnis... nein einsperren möchte ich dich nicht.“, lachte der Vampir und wuschelte kurz durch den weichen Schopf. Dann trat er zu seinem Mantel und schlüpfte hinein, strich hier und da über das weiche Leder. Er wollte jetzt nicht gehen, nicht wenn er sich gerade mit Moki so gut verstand und scheinbar alle Widerstände gelöst waren. Doch der Hunger begann zu nagen und das süße Blut des Menschen reizte seine Sinne. „Ich werde dich nun ruhen lassen. Den Handwerker schicke ich dir und du lässt einfach machen, was du für richtig hältst. Scheue keine Kosten.“ Wieder trat er zu der Nemesis und beugte sich hinab zu dessen Gesicht. „Schlaf schön, mein Licht... und träume von etwas Wunderschönem.“, hauchte er ihm ins Ohr und strich mit seinen Lippen sanft über dessen Wange. Dann verschwand er auch schon und zog die Türe vorsichtig hinter sich zu. Bis zur nächsten Nacht... dachte er mit leichtem Wehmut. 

Zurück blieb Moki, seine Wangen glühten leicht und er lehnte sich an seine angeschlagene Haustür. Erst jetzt konnte er sich alles durch den Kopf gehen lassen und ihm wurde bewusst wie verrückt das alles eigentlich war. Er war das Licht eines Vampirs, der ihm sein Blut gab damit er gesundete. Er fühlte sich auch wirklich besser, es half und das war noch immer fast nicht zu glauben. Nach einigen Momenten schloss Moki die Tür wieder ab, so gut es eben ging, und ging in die Küche wo noch immer das Glas mit dem Blut stand. Ein kleiner Rest hatte sich am Boden gesammelt und er war versucht ihn herauszuschlecken. Er ließ es dann aber doch und spülte das Glas sofort aus, trocknete es ab und stellte es wieder an seinen Platz. Müde von allem ging er in sein Schlafzimmer, er nahm trotzdem seine Medikamente und ließ sich in sein Bett fallen. 

Die Jagd Constantins trug ihn in die Viertel der Halbweltdamen. Nachdenklich schlenderte er durch die Straßen, wurde hier und da angesprochen und schüttelte mit einem Lächeln den Kopf. Er suchte nach etwas bestimmten... ein Geschöpf am Rande der Verzweiflung. Als er endlich fündig wurde, trank er gierig. Die Nähe zu Mokuba hatte seinen Hunger fast schon unendlich verstärkt. Hoffentlich würde er niemals die Kontrolle verlieren, dachte er bei sich. Noch weit vor Sonnenaufgang kam er zu Hause an und nach der üblichen Dusche legte er sich nackt vor das Fenster. Langsam wurde es heller, die ersten Sonnenstrahlen leckten bereits über das Glas. Doch die elektronische Sicherheit fuhr, regelmäßig wie ein Uhrwerk, die Jalousie herunter. Nichts störte den todesähnlichen Schlaf Constantins und seine Träume waren voller Farben und Licht. In der nächsten Nacht kam er deutlich später als üblich wieder zu sich. Seine innere Uhr schätzte nach 21 Uhr, die Jalousie war bereits seit Sonneuntergang wieder oben und Mondlicht schien in sein Zimmer. Genießend aalte er sich in den silbrigen Schattenspiel. Erst dann stand er auf und zog sich an. Zielsicher griff er sich eine hellblaue Jeans und den schwarzen Rollkragenpullover. Ihm war nach Sicherheit, nach Wärme... auch wenn ein Vampir die Kälte nicht schmerzlich spüren konnte. Sein Haar flocht er in seinen üblichen Zopf und bereits nach wenigen Minuten hatten sich die ersten Strähnen gelöst. Doch dafür hatte er jetzt keine Zeit... er wollte zu Moki. Die Turmuhr schlug gerade die halbe Stunde nach neun, als er bei seiner Nemesis ankam und höflich an der Türe klopfte.  

Das sorgte dafür das Moki von seiner Arbeit aufsah und dann aufstand und zu seiner Tür ging. Sie war Brandneu, denn nicht nur das Schloss hatte gelitten sondern auch das Holz war gesprungen. Als der Mensch durch den neuen Spion seiner Tür sah, erblickte er Constantin, der etwas nervös wirkte weil er so lange warten musste. „Wie lautet die Parole?“, rief Moki grinsend von drinnen durch die Tür aus massiver Eiche und sah gespannt durch den Spion wie der Vampir reagieren würde.

„Warum dauert das so lange?“, dachte der Vampir und war versucht, die neue Tür einzutreten um nach dem Rechten zu sehen. Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht, als er die neckende Forderung nach der Parole vernahm. „Flausche den Moki!“, teilte er selbstbewusst mit und hoffte, das er seinem Menschen damit die Röte in die Wangen trieb.  Das Warten hatte sich definitiv gelohnt, denn selbst durch diese Trennwand konnte er die Wärme und Ruhe Mokubas spüren.  

In der Tat hatte die Antwort eine leichte Röte in Mokis Wangen getrieben, er wartete noch einen Moment, zog seinen Morgenmantel etwas enger um sich und öffnete dann die Tür. Hoffentlich klebte der Vampir nicht gleich wieder an ihm dran, Moki trug nämlich nur seinen Pyjama unter dem Morgenmantel, er hatte den ganzen Tag in der Wohnung verbracht. 

Endlich war die Tür offen und der Vampir sah sich einem herrlich errötetem, leicht bekleideten Mann gegenüber. Constantin drängte sich ins Zimmer und hauchte Moki beim Vorbeigehen einen sanften Kuss auf die rosigen Lippen. „Guten Abend mein Engel, hattest du einen schönen Tag?“, erkundigte er sich. Mit einen leisen Rums ließ er sich in einen der bequemen Sessel nieder und überschlug die Beine. Das Licht Mokis strahlte ein angenehme Ruhe aus und so ließ der Vampir seinen Kopf auf die Rückenlehne fallen. Mit geschlossenen Augen zog er die Emotionen in sich auf, doch schließlich öffnete er sie wieder und schenkte dem Mann ein überwältigendes Lächeln. „Möchtest du dich nicht etwas zu mir setzen?“, die Frage war nur freundlich gestellt, kein Fordern lag darin obwohl er dabei auf die Armlehne klopfte.  

Und trotzdem schüttelte Moki seinen Kopf. „Nein danke, ich habe noch Arbeit, das Manuskript muss morgen fertig sein und ich habe noch ein Kapitel vor mir.“ Das war nicht mal gelogen und er ging wieder zu dem Schreibtisch der im Wohnzimmer stand. „Du kannst mich gern dabei beobachten.“ Lächelte er und machte sich ungestört wieder an die Arbeit.

Die Abfuhr hatte der Vampir schon erwartet und nahm es dem Menschen deshalb nicht krumm. Doch das verlockende Angebot nahm er gerne an und so verfolgte er jede noch so kleine Bewegung Mokis mit hungrigen Augen. Erst nach einer Weile stand er schließlich auf und trat an den Schreibtisch heran. Sanft legte er seine Hände auf die schmalen Schultern des Mannes und begann vorsichtig zu massieren. Kein Wort kam dabei über seine Lippen, er genoss nur die Berührung mit seiner Nemesis. Seine Gedanken waren weit weg und so bemerkte er auch nicht wirklich, das seine Fingerspitzen immer wieder über die Halsschlagader des Menschen strich.  

Aber Moki merkte es und er verkrampfte sich fühlbar. „Was machst du da?“, fragte er leise, denn die Finger kosten fast nur noch über seine Schlagader am Hals. Es war etwas beängstigend, denn hinter ihm stand ein Vampir. 

Der Puls unter den kühlen Fingern des Vampirs beschleunigte sich und er konnte einen leichten Anflug von Furcht wahrnehmen. Mit einem Hauch von Faszination sah er dabei zu, wie sich seine Hände um den schmalen Hals des Menschen legten, beobachtete sich selbst dabei, wie die Fingerspitzen über die zuckende Kehle glitten... die Daumen im zerbrechlichen Nacken verschränkt. „Du fürchtest dich...“, wisperte Constantin erstaunt. „Denkst du nicht, das ich meine Loyalität... meine Gefühle für dich schon erklärt habe. Tod kam dabei nicht vor... oder?“ Die Enttäuschung trieb ihn dazu, einen kurzen Augenblick die Hände um den Hals zu verkrampfen, doch dann ließ er von ihm ab. Still, nur ganz leicht blieben sie auf den Schultern liegen. Dann trat Constantin einen Schritt zurück und drehte Moki mitsamt dem Stuhl zu sich um. Aufgestützt auf die Armlehnen beugte der Vampir sich weit vor und fing die roten Lippen in einen hungrigen Kuss. Der Geschmack... die Süße vermischt mit der beißenden Furcht... das Licht voller Wärme und seine Zunge drängte sich in das fremde Reich. Kaum schmeckte er den Menschen wirklich, schon wurde sein Kuss zärtlich, werbend. Die Spitze glitt über den empfindsamen Gaumen und als sie ihr Pendant fand, neckte er sie, lockte und kostete die Süße bis zur Neige. „Bitte fürchte dich nicht vor mir...“, hämmerte es in seinen Gedanken. Vorsichtig knabberte er an der vollen Unterlippe und koste ein letztes Mal über die Mundwinkel. „Wann wirst du aufhören mich zu hassen?“ Schmerz, Verzweiflung und ein Hauch von Wut lagen in der ansonsten samtigen Stimme Constantins, seine Stirn müde, erschöpft an Mokis gelehnt. 

„Ich hasse dich nicht, ich fürchte mich hin und wieder.“, hauchte der Silberhaarige abwesend. Seine Augen waren leicht verhangen von dem Kuss und er versuchte sich zu fassen. Erst als die Hände sich um seinen Hals geschlossen hatten, die Daumen über seinen Nacken geglitten waren, hatte er Bilder gesehen. Constantin hätte nur kurz zudrücken brauchen, dann hätte er ihm wahrscheinlich das Genick gebrochen und dann dieser Kuss, der sein Herz von der Angst beruhigt hatte und dann wieder hatte schneller schlagen lassen. 

Die Worte beruhigten Constantin, der sich bereits Sorgen gemacht hatte. Angst war das Letzte, das er in seinem Menschen auslösen würde... da gefiel ihm die Hingabe in den Kuss schon deutlich besser. Sanft ließ er die Lippen nochmals über den herrlichen Mund Mokis gleiten, dann richtete er sich auf. Er wollte nichts überstürzen, sie hatten alle Zeit der Welt. „Danke.“, lächelte er den Mann an und machte sich auf den Weg in die Küche. Ein Glas war schnell gefunden und er wand sich halb zum Wohnzimmer. „Kommst du?“ 

Moki blieb etwas verwirrt wegen dem zweiten Kuss zurück und sah dam Vampir nach. Erst bei dessen leisen Worten stand er auf, zog seinen Morgenmantel erneut fester um sich und kam schweigend zu Constantin in die Küche. Er wusste was jetzt kam, er bekam seine Medizin, das Blut des Vampir das ihm wirklich half. Moki fühlte es schon jetzt, obwohl er es erst einmal bekommen hatte. 

Als Mokuba die Küche betrat konnte Constantin sich eine kleine Neckerei nicht verkneifen. „Wie möchtest du mich heute?“, wartete jedoch keine Antwort ab, sondern zwinkerte ihm zu und riss sich bereits das linke Handgelenk auf. Sein Blut tropfte schwer und dunkel ins Glas und mit einer gewissen Faszination betrachtete er es. Dieses Mal füllte er den Behälter mehr, denn die Dosis sollte langsam erhöht werden um Moki auf Dauer helfen zu können. Erst dann ließ er zu, das sich die Wunde schloss und gab sein Blut an den Menschen weiter. Auch wenn er es nie zugeben würde, hatte es eine unbestimmte Sinnlichkeit für ihn, Mokuba dabei zuzusehen. Wie zwischen diese zarten Lippen sein Blut verschwand und sich im Körper mit der Nemesis vereinte... in dieser Vorstellung lag eine quälende Lust für ihn.  

Allein schon das Blut zu riechen hatte einen gewissen Reiz für Moki, den er sich nicht erklären konnte, er brauchte es um Gesund zu werden, so begründete er es und nahm das Glas an sich, setzte es an die hellen Lippen. Diesmal stürzte er es nicht herunter, er trank langsam und schloss dabei seine Augen. Das sein Körper schon wieder leicht bebte bemerkte er nicht, er war gefangen in dem Geschmack und der Wirkung des Blutes. 

Nie zuvor in seinem langen Leben hatte Constantin etwas Körperlicheres gesehen. Das dunkle Blut verschwand zwischen den süßen Lippen, langsam Schluck für Schluck... die Kehle erzitterte unter jedem Nippen, die Augen waren hingebungsvoll geschlossen, die langen Wimpern warfen Schatten auf die zarten Wangen... der ganze Leib bebte sacht, wie unter den sanften Händen eines erfahrenen Liebhabers. War der Vampir zuvor schon verzaubert, so verlor er sich nun völlig in dem Anblick. Über den eigenen Körper huschten fühlbare Schauer, seine Härchen im Nacken hatten sich aufgestellt, der Mund wurde trocken und die agile Zunge huschte hervor um die Lippen kostend zu befeuchten. Als auch noch die Fingerspitzen zu prickeln begannen, stellte Constantin mit Überraschung fest, das sein gesamtes Sein auf Moki reagierte... mit Leidenschaft reagierte. Der letzte Schluck des Blutes verschwand in der Kehle, da griff der Vampir auch schon nach dem Menschen. Vielleicht etwas härter, etwas gröber als beabsichtigt... doch sein Verlangen gab keine Möglichkeit zum Rückzug. Sofort injizierte er einen hungrigen Kuss, seine Zunge kostete seinem eigenen Blut in der herrlichen Mundhöhle nach. Den sterblichen Mann dicht an sich gepresst, verlor er sich in diesen Emotionen. Die linke Hand strich sehnsüchtig durch den weichen Haarschopf, die Andere liebkoste selbstvergessend die schmale Taille. Die Spannung baute sich immer weiter auf... seine ganzen Sinne nur auf den Geschmack, dem Gefühl ausgerichtet. Irgendwo in ihm flüsterte die Stimme seines Gewissens noch... aber so leise...

 

-Weiter-

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