Constantin und Mokuba 05 |
Mokuba saß auf dem Boden und an die Haustür gelehnt, er war nicht viel weiter gekommen und an der Tür hinabgerutscht weil er so zitterte das seine Beine ihn nicht mehr trugen. Unruhig wühlte er in seiner Hosentasche, er brauchte Zucker, sofort! Das Klirren des Fensters ließ ihn jedoch erneut aufschrecken, er wusste wer es war, es konnte nur Constantin sein, der Todesengel. „Verschwinde! Du bekommst mich nicht, ich bin noch nicht so weit!“, er brüllte aggressiv und gereizt, warum kam dieser Kerl zu ihm, er war einfach noch nicht bereit zu gehen. Constantin war für ihn ein Todesengel und nichts anderes mehr. Der Vampir klopfte sich nachlässig die Glasscherben vom Mantel und zog den Vorhang vor das zerstörte Fenster. Erst dann sah er sich nach Mokuba um, der an der Türe kauerte und in seiner Tasche wühlte. Dann traf ihn auch schon ein Blick, den er so noch nie gesehen hatte. Zorn und panische Angst, aber auch Erkennen auf eine Art, wie er sie nicht erwartete. Der junge Mann war aggressiv, seine Worte gezielt darauf aus, sich zu verteidigen. Aber was sollte das? Constantin trat näher und ein Schwall seltsamster Düfte hüllte ihn ein. Und über allem ganz deutlich, fast schon beißend... der Tod. Hastig trat er einen Schritt zurück und konnte im letzten Moment verhindern, die Hand vor die Nase zu schlagen. War es das, was alle anderen Vampire bereits vor ihm entdeckt hatten? Den Tod, der nach dem Menschen griff... ihn schon längst umzüngelte? Ein paar Mal flach atmend schritt Constantin zu Mokuba und ging vor ihm in die Hocke. Schweiß lief der Nemesis über die Schläfen, seine Augen waren angsterfüllt, panisch. Erst jetzt bekam der Vampir ein Gedankenbild, das kurz durch seinen Kopf glitt. Ein dunkler Engel des Todes... er? Wie lächerlich, und zugleich auch wieder wahr. Er schüttelte den Kopf und seine Stimme war sanft als er zu dem Menschen sprach. „Ich bin kein Todesengel... zumindest nicht jener, denn du erwartest.“ Er kam näher und schnüffelte an den hellen Haaren und am Hals von Moki. Den üblen Geruch schob er einfach von sich, nahm nur noch den süßen Duft seines Lichtes wahr. Zärtlich strich er ihm ein paar der feuchten Strähnen aus dem Gesicht und eine seltsame Art von Beschützerinstinkt kam in ihm hoch. „Wie kann ich dir helfen? Was brauchst du?“ Der junge Mann schob Constantin ängstlich von sich, er wusste nicht mehr was er denken sollte, seine Angst beherrschte ihn so sehr wie noch nie und der niedrige Zuckerspiegel, machte ihn aggressiv. „Ich brauche keine Hilfe, von Niemanden.... Von keinem, hast du verstanden? Verschwinde!“ Er brauchte natürlich Hilfe, aber alles in ihm sträubte sich dagegen. Er brauchte nur ein wenig Zucker und dann seine Medikamente und das recht bald. Schwach wurde der Vampir zurückgedrängt und wieder angegiftet. Aber wenigstens hatte er diesmal ein deutliches Bild der benötigten Utensilien auffangen können. Die Worte hatte er einfach ignoriert und jetzt fischte er schnell das benötigte Zuckerstück aus dessen Tasche und nach einem letzten fragenden Blick auf Mokuba packte er es aus. Doch anstatt es dem Menschen zu geben, schob er es sich unter die Zunge und löste es schnell auf. Sein Körper würde den Zucker keineswegs absorbieren, sondern lediglich lösen. So würde es viel schneller in Moki aufgenommen werden. Allerdings bezweifelte der Vampir, das dieser sich darüber freuen würde. Als nur noch eine dicke Zuckerlösung auf seiner Zunge lag, schob Constantin eine Hand in den Nacken des Menschen und zog dessen Kopf nah an sich. Er sah die Wut in dessen Augen, doch dies alles verlor an Bedeutung, als er den letzten Abstand überwand und seine Lippen auf den bebenden Mund Mobukas presste. Seine Zunge durchstieß die Barriere und er schob die Lösung zärtlich in den Rachen des Menschen. Sanft verteilte er sie am Gaumen und kam nicht umhing, die pure Hitze der Mundhöhle zu kosten. Er verharrte deutlich länger, als nötig gewesen in diesem Paradies und seine Lippen bewegten sich kostend. Mit seiner Spitze glitt er die Zahnreihen entlang, strich über sein Pendant und genoss den herrlichen Geschmack. Doch schließlich erinnerte er sich an die ebenso benötigten Medikamente und löste sich. Kurz gönnte er sich den Luxus zu verharren, seine kühle Stirn an die Feuchte Mokubas gelegt und den verführerischen Duft einatmend. Seufzend ließ er schließlich von ihm ab und stand auf. Sein Blick fuhr suchend über die Möbel, bemerkte hier und da ein Stück, das ihm wirklich gefiel... doch die Medikamente konnte er nicht entdecken. „Wo?“, wand er sich an seine Nemesis, fast betäubt vom Duft und seiner Schönheit. Völlig Fassungslos wurde er von Moki angestarrt, er konnte einfach nicht glauben was eben passiert war und seine Lippen pressten sich fest zusammen bis sie nur noch einen schmalen Strich bildeten. Der Zucker wirkte und er wurde langsam ruhiger, trotz allem war er aufgewühlt durch den Kuss der ihn total aus der Bahn geworfen hatte, ein Kuss der nicht nötig gewesen war. „Im Bad.“ Brachte er schließlich über die Lippen und schlang die Arme um seinen bebenden Körper. Er verstand sich selber nicht, er hatte keine Hilfe gewollt und jetzt war er einen Moment froh darum gewesen. Er schmeckte den süßen Kuss noch immer, fühlte die Lippen noch immer auf den Seinen und die Zunge die sich in sein Reich gedrängt hatte. Wäre er nicht so schwach gewesen hätte er garantiert zugebissen. Constantin wich dem fassungslosen Blick Mokubas aus und ignorierte dessen wirre Gedankenbilder. Im Bad musste er eine Weile suchen, bis er endlich die Medikamente gefunden hatte. Da keine akute Gefahr mehr bestand, sah er sie sich eines nach dem anderen durch und obgleich er kein Arzt war, bekam er einen Überblick. Niedergeschlagen ließ er sich auf dem Rand der Wanne nieder und starrte leer vor sich hin. Sein Licht, der Mensch, würden bald verlöschen... und er selbst würde wieder unruhig, von Alpträumen geplagt. Die Erinnerung ließ ihn schaudern. Aber noch könnte er es verhindern... ein Tropfen Blut hier und da, gemischt unter gesundem Essen und eine regelmäßige Überprüfung sollten doch etwas ändern können. Andererseits war sein Nemesis sehr aggressiv, wenn es um Hilfe ging... Constantin straffte die Schultern und ging zurück zu Mokuba. Er würde nicht auf den Glanz verzichten! Sein Licht hatte sich inzwischen wieder auf die Beine begeben und war bis in seine Küche gekommen um sich dort ein Glas mit Wasser zu füllen. Seine Aggression die durch den wenigen Zucker eingeschlichen hatte, war verschwunden und seiner eigentlichen Wut gewichen. Sein gesamtes und für ihn perfektes Universum war zusammengebrochen, es war ihm sogar egal das Constantin kein Mensch war, er fühlte es und er hasste ihn, warum war er ihm überhaupt so nahe gekommen. Als der Mann aus dem Bad kam wurde er auch gleich wütend angefunkelt. „Warum bist du mir nachgelaufen? Was verdammt noch mal findest du an mir?“, seine Worte klangen nicht so wütend wie er sie haben wollte, sie klangen eher verzweifelt. Noch dazu klingelte gerade jetzt sein Telefon und der Anrufbeantworter ging heran. Wieder sprach seine Mutter auf das Band. Er solle sich melden, sie mache sich Sorgen, warum ziehst du nicht wieder nach Hause? Es war immer das selbe und obwohl er mit seinen Neunzehn noch nicht Volljährig war, zwang sie ihn nicht, sie könnte es Gerichtlich verfügen lassen, aber sie tat es nicht aus Angst er könne sich endgültig von ihr abwenden. Unverfälschter Hass schlug Constantin entgegen, als er die Küche betrat. Überraschender Weise tat es weh, so sehr sogar, das man es wohl kurz in seinen Gesichtszügen lesen konnte. Die Verzweiflung die aus jedem Wort Mokis sprach, entzündete sein Innerstes. Wie sollte er sich begreifbar machen? Doch das Klingeln des Telefons enthob ihn vorerst einer Antwort und er lauschte der besorgten Stimme, die das Band besprach. Sein Nemesis hatte also Familie die sich um ihn sorgte. Das konnte etwas hinderlich für seine Pläne sein... hatte er überhaupt Pläne? Im Moment sprühte der Mensch nur negative Gefühle aus, Hass vor allem Anderen. Und das sich dieses Gefühl so gegen Constantin richtete, verpestete das Licht auf eine wirklich abscheuliche Art und Weise. Wortlos legte er die Medikamente auf den Tisch und wand sich zur Haustüre. Er öffnete sie und schenkte Mokuba noch einen letzten Blick, bevor er die Pforte leise hinter sich ins Schloss zog und alles was er wollte dahinter zurückließ. Er würde nicht zurückkehren. Niemals. Das war Mokuba nur recht. Er wartete bis die Schritte im Flur verhallt waren und nahm dann seine Medikamente ein. Die nächsten Tage würde er nicht mehr in den Club gehen, seine Kraft war für die nächsten Tage verbraucht, er musste sich erholen, sein Leben wieder ordnen und in die richtigen Bahnen zurücklenken, damit er sich weiter gegen seinen Zerfall stellen konnte. Er wollte nicht sterben und nicht daran denken das er irgendwann sterben würde, seine Seele war noch nicht bereit dazu. Als Constantin das Haus hinter sich ließ, fühlte er den Verlust fast körperlich. Nur sein Stolz hielt ihn davon ab, sich umzudrehen und Mokuba zu seinem Eigentum zu erheben. Er verbarrikadierte sich in seiner Wohnung, ging nur zum Trinken nach draußen um danach schnellstmöglich wieder die Einsamkeit willkommen zu heißen. Stundenlang saß er auf der Brüstung seines Balkons und starrte in die Nacht. Die Unruhe stellte sich wieder ein, doch er gab nicht nach. Stattdessen verlor er sich in Erinnerungen an das Licht, an den brennenden Kuss und dem so sehr vermissten Duft. Die Tage zogen an ihm vorbei, gefüllt mit Alpträumen und der bitteren Erkenntnis, das er sich verzehrte. Verzehrte nach einem Menschen, der ihm nie gehören würden... der verging und zu Staub werden würde. Er gab sich ganz seiner Sehnsucht hin, verlor sich in Gefühlen, die erst Mokuba in ihm wiedererweckt hatte. Schließlich hielt er es nicht mehr aus, wie schon vor ein paar Tagen nahm er seinen Platz ein. Eben jene Stelle, an dem er sich Moki zu erkennen gegeben hatte und mit brennendem Blick bannte er das Haus. Das zerstörte Fenster war mittlerweile ausgetauscht worden und alles schien ruhig. Drei Nächte schon kam er her... und wartete. Irgendwann würde er genug Kraft finden um das Licht des Menschen für immer verlöschen zu lassen. Der Gedanke hatte etwas beruhigendes, etwas tröstliches. Wenn er ihn nicht haben konnte, das Strahlende nicht besitzen konnte... so konnte er auch zum gefürchteten Todesengel werden... Dann öffnete sich das Fenster zu der Wohnung ein kleines Stück und das Licht erschien einen kleinen Moment bevor es wieder verschwand. Moki hatte seit Tagen seine Wohnung kaum verlassen, er war nur nebenan zum Laden gelaufen um sich etwas zu essen zu holen. Ansonsten war er nicht hinausgegangen und seit wenigen Tagen beschlich ihn ein seltsames Gefühl das sich eben bestätigt hatte. Er hatte Constantin gesehen und war daher so schnell vom Fenster verschwunden, wäre er doch nie zum Fenster gegangen, seine wiedergefundene Ruhe verlor sich langsam wieder. „Hau ab....Hau bloß ab!“, zischte er, das der Vampir ihn womöglich hören konnte war ihm nicht bewusst. Stoisch hatte sich Constantin nicht bewegt, weder als er bemerkte, das sich das Fenster öffnete, noch als er die bösen Worte vernahm. Die Wünsche des Menschen hatten keine Bedeutung für ihn. Er alleine zählte, war er Mokuba doch überlegen! Doch auch der kurze Schein des Lichtes hatte sein totes Herz zum rasen gebracht, ihm schmerzlich seinen Verlust vor Augen geführt. Jetzt! Jetzt war es Zeit, ein für alle mal seine Überlegenheit zu demonstrieren. Er ließ sich nicht zurückweisen, er war kein dummer Mensch! Schneller als seine Gedanken spielten, befand er sich vor der Haustür Mokis. Er hielt sich erst gar nicht mit Klopfen auf, sondern öffnete sie gewaltsam. Krachend schlug die Türe gegen die Wand, als er wie ein böser Albtraum im Zimmer der Nemesis stand. Seine schillernden Augen brannten vor Zorn und Entschlossenheit. Er würde sich holen, was er herbeisehnte... Dieses etwas saß im Wohnzimmer in einem tiefen Sessel und blickte ihn ausdruckslos an. Er hatte keine Angst, er wusste es war sein Todesengel, das hatte er seit dem Tag gewusst als er ihn das erste mal auf dem Balkon hatte sitzen sehen, anders konnte es gar nicht sein. „Ich hab so lange gegen dich gekämpft, ich will nicht aufgeben. Ich bin noch nicht so weit, ich will nicht.“ Seine Ruhe war wieder da, er war vollkommen gelassen, weil er sich mit dem Tod abgefunden hatte, aber er wollte einfach noch nicht loslassen und sein kämpfendes Licht verstärkte sich mit jedem seiner Herzschläge. „Ich habe noch nicht nach dir gerufen.“ Der Anblick überraschte den Vampir. Mokuba saß in seinem Sessel, sah ihn an. Keine Angst, lediglich Entschlossenheit in seinem Blick. Das Licht umschmeichelte seine zierliche Gestalt, Wärme kroch in Constantin hoch, Ruhe und Friede breitete sich aus. Sein Zorn, den er so gepflegt hatte war verraucht und machte einer sanften Melancholie Platz. „Du musst nicht nach mir rufen... den mein ganzes Sein ruft nach dir.“, wisperte er und trat näher. Vor dem Sessel kniete er nieder, sah mit aller Liebe die er in diesem Augenblick verspürte zu Mokuba auf. „Ich bringe den Tod,... das liegt in meiner Natur.“, sprach er weiter. „Und doch kann ich dafür sorgen, das deine Lebensspanne weiter wird... ich kann dir helfen, alt zu werden. Älter, als du es dir vielleicht gewünscht hättest.“ Constantin versuchte mit einem Hauch von Verzweiflung den Menschen von seiner Idee zu begeistern. „Mein Preis... hierfür... wäre gering.“, stockte er und legte sein Haupt auf die schmalen Knie der Nemesis. Seine schlanken Finger malten unablässig Muster auf die Sessellehne, die Lider fast vollständig gesenkt harrte er der Dinge. Die violetten Augen Mokis musterten den Vampir vor sich fast schon ungläubig und eine leichte Verwirrung machte sich in ihm breit. Und das Wort Hilfe allein schon ließ ihn beinahe ablehnend reagieren. „Und wie willst du mir helfen? Was bist du, das du mir so etwas anbieten kannst?“, seine Worte waren monoton und noch immer etwas gefühllos.
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